Sich dehnen-ausdehnen

Mit dem Dehnen ist das so eine Sache. Es braucht immer ein bisschen Überwindung. Nicht nur das körperliche Dehnen, sondern auch im übertragenen Sinne. Unserem Kind zuliebe spielen wir manchmal ein Spiel, wozu wir eigentlich gar keine Lust haben oder wir gehen ins Theater, Fußballstadion, …etc. dem Partner zuliebe oder wir dehnen unser Vorstellungsvermögen, um die Weltanschauung eines anderen zu verstehen. Es ist immer ein bisschen anstrengend und braucht unsere Bemühung.

Ähnlich verhält es sich auch mit dem Dehnen unserer Gliedmaßen. In meiner Kindheit als Ballettschülerin musste ich jeden Morgen noch bettwarm fünf Dehnübungen machen. Meine Mutter und ich folgten dieser Anweisung fünf Jahre lang sehr gewissenhaft, um aus einem mittelmäßig gelenkigen Mädchen eine anmutige Elfe und hypermobile Ballerina zu machen. Meine Dehngeschichte hat also schon bereits mit meinem siebten Lebensjahr begonnen und meine Begeisterung dafür hielt sich sehr in Grenzen. Gedehnt habe ich nur, weil ich musste. Damals habe ich die angeordneten Dehnungen sehr mechanisch und mit viel unnötigem Krafteinsatz abgespult, ohne an die Atmung oder irgendetwas zu denken. Trotz dieses sehr unbewussten und roboterhaften Herangehens konnte ich immerhin 7 Jahre lang mit den anderen „weicheren“ und gelenkigeren Mädchen mithalten. Mein Vorteil wiederum war, dass ich mir sehr kraftvolle Beinmuskeln antrainierte und oft mit den Burschen beim Springen mithalten konnte. Meine Sprungkraft und das Gefühl die „Gebieterin“ meiner Motorik zu sein, machte mir richtig Spaß. Ballettkarriere habe ich zwar keine gemacht, doch im Jazz- und Modern Dance war ich ganz gut aufgehoben. Doch das „depperte“ Dehnen bin ich nie wieder losgeworden. Denn es gehört in jede Tanzstunde, egal welchen Stils, wie das Amen im Gebet. Heute mache ich immer noch meine Dehnübungen und lerne Neues dazu. Und mit dem Wissen, dass es mir dieses wunderbare Körpergefühl gibt, mache ich es mittlerweile sehr gerne.

Ziel des Dehnens ist das Lösen von Spannungen in der Muskulatur und das Verringern von Gewebe-Widerständen. Muskeln, Haut und Bindegewebe werden lebendiger, nachgiebiger, reaktionsfähiger und elastischer. Eine Dehnung, die zur Wohlspannung führt, wird weich und kontinuierlich ausgeführt. Beobachten wir eine Katze, die nach längerem Liegen wieder aufsteht, so dehnt sie sich zuerst in geschmeidiger Weise, bevor sie wegläuft. Diese Bewegung fließt durch den ganzen Körper und löst oft noch ein Gähnen aus. Wird jedoch zu stark und zu abrupt gedehnt, ziehen sich die Muskeln als Schutz vor Überdehnung und Verletzung zusammen. Dann haben wir uns nicht gedehnt, sondern gestreckt. Die Gelenke werden beim Strecken meist durchgedrückt und blockiert, die Muskeln machen fest und der Atem wird unbewusst angehalten. Es erfolgt kein Nachgeben, Ausdehnen und es gibt auch keine Veränderung in der Muskelspannung.

Wird jedoch richtig gedehnt, so können Spannungen gelöst werden und es entsteht eine Körperempfindung von mehr Innenraum und Weite. Auch die Atembewegung kann sich leichter im Körper ausbreiten. In der folgenden Übung können wir das Dehnen gleich ausprobieren.