„Homo Hapticus“

Warum wir ohne Tastsinn nicht leben können
Martin Grunwald, Verlag Droemer Knaur 2017

Der Autor, Martin Grundwald, gründete 1996 das Haptik-Labor an der Medizinischen Universität in Leipzig. Er erforscht den menschlichen Tastsinn und seine Wirkung auf Denken, Fühlen und Handeln. Und entwickelt auch neue Testverfahren sowie körperorientierte Therapieansätze in der Neonatalmedizin, bei Essstörungen und Demenz.

Für den Autor ist der Tastsinn eine Art biologische Ursprache, die bereits im Mutterleib beginnt. Der Fötus kann sich und seine Umgebung spüren, lange bevor er sehen, hören, schmecken und riechen kann. Kein Säugling kann ohne Körperkontakt überleben und auch das Gehirn kann sich ohne Körperkontakte nicht optimal entwickeln. Er schreibt über den Erfahrungsraum des Fötus, wie z.B. das „Wunderwerk Mund“ oder „Gut gedeiht, wer Nähe spürt“; über die Welt von Säuglingen; mehrere Kapitel über Reize, Rezeptoren und Empfindungen. Sowie über Erkrankungen des Tastsinnessystems und über Haptik-Design.

Martin Grunwald stellt die Frage, wieso ein Sinnessystem so wichtig sein kann, dass unser Leben davon abhängt? Seine Antwort lautet: „Ohne dieses Sinnessystem wüssten wir nicht einmal, dass wir exisitieren. Denn eine seiner hervorragenden Leistungen besteht darin, dass wir uns jederzeit unserer körperlichen Existenz bewusst sein können. Wir denken uns nicht selbst, sondern wir fühlen uns. Mit geschlossenen Augen, im Supermarkt, nach dem Aufwachen oder während wir spazieren gehen. In jeder Millisekunde eines Tages können wur unser körperliches Dasein mit Gewissheit empfinden…….. Jede Berührung unseres Körpers wird biologisch und psychologisch verwertet, ohne dass wir uns zwingend dessen bewusst werden. Selbst wenn wir einfach nur sitzen oder liegen, analysiert und steuert das Tastsinnessystem unseren körperlichen Status. Jederzeit. Wir können tastend Oberflächenunterschiede erkennen, die so klein sind, dass wir sie ohne Hilfsmittel nicht sehen können.“

Eine kurze Umarmung kann positive Emotionen auslösen, die viele Stunden oder gar Tage andauern. Kindliches Wachstum und psychische Stabilität sind ebenso abhängig von ausreichenden Körperberührungen wie das gute Miteinander von Liebes- und Lebenspartnern. Jeder Lebensbereich eines jeden Menschen wird täglich durch das stille Wirken des Tastsinnessystems geprägt. Es ist das biologisch größte und einflussreichste Sinnessystem, eine Meisterleistung der Natur – und zugleich eine Selbstverständlichkeit, die wir kaum würdigen.“