Die vier Tugenden

Vier senkrecht stehende Asche-Stifte des Räucherstäbchens;
im HIntergrund Mont St. Victoire/Südfrankreich

Diesen Newsletter wollte ich bereits am Montag den 4. Oktober versenden, doch es fiel mir nichts Gescheites ein und es fehlten die zündenden Ideen. Eine bereits geschriebene Story hatte ich bereits verworfen und war schon etwas genervt von meiner mangelnden Kreativität. Normalerweise gibt es Themen, die sich mir aufdrängen, die geschrieben werden wollen.

Also, saß ich am Samstag den 8. Oktober 2022 um 8:30h früh, wie jeden Tag, vor meinem buddhistischen Altar und rezitierte das Mantra „nam myoho renge kyo“. Vor mir der Butsudan (japanisch Buddhahaus), ein Holzschrein in dem meine Schriftrolle hängt, und darunter rauchte das Räucherstäbchen, welches auf dem Foto oben zu sehen ist. Bei genauem Hinsehen bemerkte ich, dass vier gleichhohe Stifte der Asche des Räucherstäbchens nebeneinander stehen geblieben waren. Das war einzigartig und noch nie passiert! Ich war ganz fasziniert von diesen Stiften, die in regelmäßigem Abstand aufrecht standen und ich dachte:

„So ein toller Zufall ohne Umfall!“

Der Anblick dieser vier Stifte, die aufrecht stehen, brachte etwas Neues in mir zum Schwingen. Es hatte KLICK gemacht und die vier Tugenden – die vier noblen Qualitäten von Buddha – waren auf einmal präsent. Es fühlte sich an, als hätte ich die Spur gewechselt und gleichzeitig wunderte ich mich über diesen Gedankensprung. Im Vertrauen auf solche spontanen Eingebungen, wusste ich im selben Moment, dass dahinter eine tiefere Botschaft für mich liegt.

Die vier Tugenden sind –
Freude, wahres Selbst, Reinheit und Ewigkeit.

Der Buddhismus geht davon aus, dass die vier Zustände des Leidens von Geburt, Alter, Krankheit und Tod in die Qualitäten der vier Tugenden verwandelt werden können. Das tägliche Meditieren ist das Werkzeug mit dem die vier Tugenden auf ganz individuelle Weise im Leben jedes Praktizierenden wirken können.

  1. Die Tugend der FREUDE ist dem Element ERDE zugeordnet und steht für unerschütterliche und überfließende Lebensfreude; es gibt keine Abhängigkeit von äußeren Umständen und die Freude, die aus innerer Zuversicht kommt bringt Harmonie und Glück für sich selbst und andere; hinzu kommt auch ein nährendes und beschützendes Element, so wie die Erde die Bäume und Pflanzen nährt
  2. Die Tugend des WAHREN SELBST ist dem Element FEUER zugeordnet und möchte das begrenzte Ego überwinden; die Finsternis der Welt beleuchten; das Licht der Weisheit und das wahre Selbst als Buddha oder erleuchtetes Wesen erkennen; es steht auch für brennendes Mitgefühl und Respekt für andere und für die universelle Verbundenheit mit allen Lebewesen
  3. Die Tugend der REINHEIT ist dem Element WASSER zugeordnet und steht für die reinigende Kraft von Wasser, die Personen hilft an den Leiden der realen Welt nicht zu zerbrechen; trotz aller Korruptheit und Konflikte hoffnungsvoll zu bleiben und ein reines Herz von großer Empfindsamkeit, Dankbarkeit und Menschlichkeit erblühen zu lassen
  4. Die Tugend der EWIGKEIT ist dem Element WIND zugeordnet und steht für unbegrenzte Freiheit, die aus der Erkenntnis kommt, dass das Leben ewig und unauslöschlich ist; Menschen von der Furcht vor Leiden und Tod befreien kann; Vertrauen in die einzigartige, sinnhaft Aufgabe im Leben gibt und anderen Mut und Stärke vermittelt

    Das plötzliche Auftauchen der vier Tugenden ist für mich persönlich eine Erinnerung nicht im Außen nach Antworten zu suchen, sondern die Antwort in mir selbst zu finden. Seit einigen Monaten beschäftigte mich immer wieder die Frage, wohin ich wachsen und mich weiterentwickeln möchte. Was braucht es in diesen stürmischen Zeiten, was ist der nächste Schritt?

    Ein Bild dazu taucht vor meinem inneren Auge auf. Es ist eine Erinnerung an eine 5 Rhythmen Tanzeinheit im März 2022, als der Ukraine-Krieg begonnen hatte. In der Schlussphase der Stille stand ich mit beiden Füßen gut geerdet und fest verankert auf dem Boden hatte zum ersten Mal ein „Christus-Gefühl“. Der „Schmerzensmann“, der alle Leiden dieser Welt für uns auf sich genommen hat. Das war etwas Neues für mich, denn ich fühlte mich bis dahin dem christlichen Denken nicht so nahe. Genauso stark fühlte ich das unendlich große Mitgefühl von Buddha, der alle Lebewesen ohne Einschränkungen liebt. Es war für mich eine Einladung aufrecht stehen zu bleiben, in der eigenen Kraft und nicht am Elend der Welt zu zerbrechen.

    Das gilt für mich auch weiterhin, jeden Tag für meine innere Stabilität, Hoffnung, Mut, Weisheit und Mitgefühl zu meditieren und den Duft der vier Tugenden in die Welt zu bringen, so gut ich es eben kann.