Mitfühlendes Sehen

Wurzelwerk auf Granit (September 2022)

Meine Aufgabe als Behandlerin reicht über die physische Entspannung hinaus. Ich höre und sehe was meine KundInnen bewegt und welche Körperteile besonders bedürftig sind. Mit den Händen erfühle ich die unterschiedlichen Gewebe- und Hautwiderstände, lausche der Atmung und behandle mit mehr oder weniger Druck. Ebenso nehme ich ihre Gefühlswelten wahr, in denen sie sich gerade befinden. Es braucht mein Einfühlungsvermögen und meine Fähigkeit mich den Bedürfnissen des Gegenübers anzupassen. Was braucht der Mensch, den ich behandle? Wo will es uns hinbringen? Oft ist es wichtig zu beobachten und zu begleiten. Oft auch Pausen zu machen, scheinbar nichts zu tun, nur hin zu horchen. Die innere Bewegung zu zulassen.

Den Menschen in seine Ruhe hineinfinden lassen, damit er/sie wirklich spürt, dass es nichts zu tun gibt, ist die beste Voraussetzung für wirkliche
Ent-Spannung.
Schließlich sind wir human being´s und keine human doing´s!

Jeder Mensch ist ein kleines Universum. Wie offen und wertfrei kann ich jemandem begegnen? Eigentlich ist jeder neue Mensch wie ein Spaziergang in eine unbekannte Landschaft ohne vorgezeichnete Wege. Höchstens meine eigenen Vorurteile und Bewertungen stehen zwischen uns. Wie oft habe ich mich beim ersten Kennenlernen bei meinen KundInnen getäuscht und musste mir selbst eingestehen, dass mein erster Eindruck schlicht und ergreifend falsch war.
Wie könnte eine neue Qualität der Begegnung heißen?

Gerne möchte ich
mit dem Herzen sehen können.
To see and be aware beyond the body!
Unser Bewusstsein reicht weit über das Körperliche hinaus.

Den Menschen vor mir zu respektieren und ihn mit offenem Herzen sehen. Ein mitfühlendes, berührendes Sehen. Diese Haltung möchte ich nicht bloß bei der Arbeit, sondern in meinem Alltag entwickeln. Oft bekomme ich von Menschen auf der Straße ein freundliches Lächeln geschenkt. Dieses Lächeln weiterzugeben ist bereits ein Anfang.

Global gesehen, kann die Haltung vom mitfühlenden Sehen und Handeln ein guter Weg für einen Wandel in unserer Welt sein für ein friedliches, wohlwollendes Miteinander.

„Der Mensch ist ein Teil des Ganzen, das wir „Universum“ nennen, ein durch Zeit und Raum begrenzter Teil. Er erlebt sich selbst, seine Gedanken und Gefühle als etwas von den anderen Getrenntes – eine Art optische Täuschung seines Bewusstseins. Diese Täuschung ist für uns eine Art von Gefängnis, das uns auf unsere persönlichen Entscheidungen und auf die Zuneigung zu den wenigsten Nächsten beschränkt. Unsere Aufgabe ist es, uns aus diesem Gefängnis zu befreien, indem wir den Radius unseres Mitgefühls so ausweiten, dass wir alle Lebewesen und die ganze Natur in ihrer Schönheit umfassen.“ Albert Einstein (1879 – 1955)