Das Herz öffnen

Bei fundamentalen Themen, wie Tod oder Trauer um Verstorbene, könne wir die Gefühle, Körperempfindungen und begleitende Geisteszustände verdrängen, doch wenn wir diese verdrängen, geben wir ihnen nicht den Raum, den sie brauchen, um sich zu entfalten. Durch Abwehr und Widerstand können wir nicht erkennen, was wir aus solchen Situationen lernen können. Es gibt zwei Möglichkeiten, schwierige Gefühle zu unterdrücken oder sie auszudrücken. Unterdrückte Gefühle lungern eingekapselt in ihrer ursprünglichen Form und mit der dazugehörigen Energie herum. Zum Beispiel kann unterdrückte Wut sich in Depression, Groll oder Angst verwandeln. Körperlich kann sich so eine Unterdrückung in Anspannung, Mattheit oder einem Mangel an Lebendigkeit äußern.

Es gibt Ereignisse im Leben, auf die wir uns nicht vorbereiten können. In dramatischen Situationen kann es passieren, dass wir Gefühle unterdrücken, uns verschließen, verstummen oder in irgendeine Art von Widerstand geraten. Eine Erfahrung, die zu erschütternd, bedrohlich oder unpassend erscheint, wollen wir aus unserem Gewahrsein verschwinden und sie nicht an die Oberfläche kommen lassen.


Wohingegen ausgedrückte Gefühle uns mit unserer Selbstwahrnehmung und mit Selbstfürsorge in Verbindung bringen können. Wir können unseren Schmerz, unsere Trauer und unsere Tränen erleben und fließen lassen. Selbst wenn diese Reaktionen uns überwältigen und mit großer Intensität hervorbrechen, spüren wir unsere Lebendigkeit und starke Lebenskraft in solchen Momenten.

Solche spontanen Gefühlsausbrüche kenne ich aus persönlicher Erfahrung. Mitten im ersten unerwarteten Gefühlsaufruhr fühlt es sich an, als würde ich durch eine Stromschnelle in einem Wildbach durchgewirbelt. Die Wellen sind so groß, dass ich durchtauchen muss. Ich kann mich nur ergeben, jeder Widerstand ist zwecklos. Bin ich durch diese erste Phase durch, kann ich mit Atmung, Gespür und Achtsamkeit mich wieder stabilisieren und mein Körper kann wieder zu einem sicheren Gefäß werden, in dem sich die Gefühle regulieren lassen.

Beim Tod einer nahestehenden Person, kann sich die Trauer in sehr vielfältiger Weise ihren Ausdruck finden. Es kann sich in Angst, Wut, Selbstkritik, Bedauern, Schuldgefühlen, Scham oder Erstarrung manifestieren.

Als ich vom Tod meiner Freundin und Kollegin Maria erfuhr, kam eine wilde, schmerzhafte Mischung aus Gefühlen hervor, die sich mit den Erfahrungen frühere Todesfälle in meiner Familie, vermischte. Das äußerte sich in einer großen körperlichen Übelkeit, die im wahrsten Sinn des Wortes aus mir herausbrach. Einen ganzen Tag lang verbrachte ich in einem elenden Zustand der Verzweiflung. Erst am nächsten Tag konnte ich erkennen, dass es mein Herz war, das sich verschlossen hatte. Ein Teil meines Herzens hatte sich in einer Schockstarre verkrampft. Erst als mir das bewusst geworden war, konnte mein Herz wieder weicher werden und die Verkrustung in meinem Herzen sich zu lösen beginnen. Danach konnte ich befreit weinen und trauern. Davor hatte nur der Widerstand in mir getobt.