Ich & Wir

In der buddhistischen Lebenssicht gibt es die Vorstellung, dass das Selbst und seine Umgebung eine Einheit bilden. Das individuelle Leben ist mit seiner Umgebung (Gesellschaft/Land) untrennbar verknüpft. Auch wenn es nicht spürbar ist: “niemand ist eine Insel”. Am deutlichsten fühlbar ist das für mich beim Meditieren oder beim Tanzen in der Gruppe. Mein Energiefeld um mich herum, wirkt und strahlt. Ich kann gleichzeitig ganz mit der Aufmerksamkeit bei mir sein und auch in der Wahrnehmung mit einer anderen Person oder einer Gruppe. Ich kann zwischen verschiedenen Ebenen wechseln und trotzdem im Raum präsent sein. Ich switche zwischen meinen physischen Körperempfindungen, den Gefühlen, den Gedanken, den inneren Bildern, bzw. beim Massieren oder Tanzen den Impulsen zur Bewegung, hin und her. Ich kann für mich sein und auch mit dem Drumherum mitschwingen.
Ganz besonders deutlich konnte ich das auf meinem 5Rhythmen Tanzworkshop in Kroatien erleben. Meine Schmerzen bei einem Rüttel-Schüttel-Tanz konnte ich im 2er-Kontakt mit einer Tanzpartnerin aus dem Körper rausschütteln. Oder ein gruppendynamisches Erlebnis mit meiner 5 köpfigen “Supportgroup”: Am Ende einer zweistündigen Tanzeinheit sind wir fünf (3 Männer, 2 Frauen) tief berührt, mit Tränen in den Augen da gesessen und spürten eine wehmutsvolle Verbundenheit über all das Leid in unserer Welt.

Während des ganzen wunderschönen Urlaubs am Wasser, fand ich es immer wieder seltsam, friedlich am Strand zu sitzen währenddessen tausende Menschen auf der Flucht durch halb Europa marschieren. Bei meiner Ankunft in Wien bin ich geradewegs mitten in der Demo “Refugees Welcome” mit Sprechchören und Trommeln gelandet. Da hat mein Herz vor Freude gehüpft. Und gleichzeitig war auch die Sorge da, wie wird das mit den vielen Tausend Menschen hier bei uns weitergehen?

Diese Situation zwingt uns alle aus unserem gewohnten ICH-Denken in ein WIR – in ein Gemeinschaftsgefühl – zu gehen. Die Herausforderung gilt für mich als Einzelperson genauso wie für die europäische Gemeinschaft. Können wir es schaffen, den ankommenden Menschen würdevolle Aufnahmebedingungen und eine neue Existenz in Sicherheit bieten?

Foto: Silvija Tomcik